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Das Architekturbüro Ortner & Ortner wird Wien von Laurids Ortner und in Berlin von Manfred Ortner geführt. In den Sechzigern experimentierten die beiden Brüder im Rahmen der von ihnen gegründeten Gruppe Haus-Rucker-Co mit Themen rund um Architektur, Kunst und Gesellschaft. Heute gehört Ortner & Ortner zu den international erfolgreichen Büros. Neben dem medial viel beachteten Museumsquartier (2001) in Wien, zeichnen sich die Zwei neben vielen anderen Kulturbauten für die Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek in Dresden (2002) verantwortlich oder das Schiffbau Theater und Kulturzentrum des Schauspielhauses in Zürich (2001).

Ein Gespräch mit Laurids Ortner über die Architektur Biennale in Venedig 2004, den Nachwuchs und China.

„Diese ständige Suche nach Welterneuerung auf Basis der Architektur ist grauenhaft“

redaktionsbüro: Antje Mayer
Laurids Ortner:
- Auf der Architekturbiennale in Venedig ist das Büro Ortner & Ortner nicht im österreichischen Pavillon vertreten, sondern im israelischen, wo Sie ein Projekt für Tel Aviv vorstellen. Es geht um Landgewinnung auf dem Meer. Angesichts des schwellenden Israel-Konflikts eine politisch hochinteressante Idee, allerdings ist mir Ihre Affinität zur Politik und den Nahen Osten neu?
- Es geht um eine meiner Zeichnungen mit dem Titel „47. Stadt“, auf deren Basis wir die Fotomontage „Sea-City“ gestalteten. Sie zeigt die Ausdehnung von Tel Aviv auf das offene Meer mit zwei kompakten Clustern auf 80 Meter hohen Versorgungstürmen, in denen 100.000 Bewohner in einzigartiger Atmosphäre wohnen können. Sie war ursprünglich nicht für Tel Aviv gedacht. Die Idee ist aus dem Jahr 1967. Dass ein 37 Jahre altes Projekt heute noch immer aktuell sein kann, ist schmeichelhaft, zeigt aber auch, daß es mit der architektonischen Erfindung seit damals nicht wirklich weitergegangen ist.
- Ist das eine Anspielung auf die jungen Kollegen im Österreich - Pavillon, die Kuratorin Marta Schreieck heuer unter dem Motto „Gegen den Strom“ eingeladen hatte: AllesWirdGut, next ENTERprise, pool und querkraft. Ihnen wurde in den heimischen Medien vorgeworfen, allzu brav und leise aufgetreten zu sein?
- Dass zu brav und leise präsentiert wurde, mag gemessen an dem, was rundum abgelaufen ist, stimmen. Das ist typisch für österreichische Medien, dass man fordert, den Overkill an Spektakel als zentrales Thema noch marktschreierischer zu überbieten. Im Grunde agieren auf der Biennale größenteils Architektur-Entertainer vom Typ meines Freundes Wolf D. Prix von Coop Himmelb(l)au, die mit weißem Sakko und dicker Zigarre mit ihrer Architektur unterhalten. Ich fühle mich auf der Biennale größtenteils auf dem falschen Dampfer. Konkret und souverän ist hingegen der deutsche Pavillon. Deutsche Architektur wird notorisch unterschätzt, weil sie als einzige resistent ist gegen den angelsächsischen Eventbazillus.
- Wenn man an Ihre spektakulären und popigen Performances und Kunstexperimente aus der Haus-Rucker-Co-Zeit denkt und diese Ihren topseriösen Architektur - Projekten heutiger Tage gegenüberstellt, sehnt man sich zugegebenermaßen, manchmal nach etwas mehr „gegen den Strom“.
- An meinem Alter kann's nicht liegen. Das, was auf der Biennale spektakulär gezeigt wird, hat so überhaupt nichts mit irgendeiner Art von Innovation zu tun. Seit nun 50 Jahren tauchen die Versuche Jahr für Jahr auf, Architektur bei Null wieder zu beginnen, auch so neu, mutig gegen die Zeit, gegen die Geschichte, gegen den Strom. So wichtig dieses Probieren einmal war, nun wird's langweilig. Je spektakulärer sich das alles generieren muss, umso rascher verbrennt es sich selbst. Für Konzernmanager und Politiker, die auch über eine befristete Wirkungszeit verfügen, ist diese Architektur vielleicht die letzte Möglichkeit, sich und Ihr Unternehmen zu inszenieren. Soll's das sein? Oder soll sich Architektur nicht wieder einer Dauerhaftigkeit und möglichen Kontinuität zuwenden, die dieses Medium besser als alle andern liefern kann. Diese ständige Suche nach Welterneuerung auf Basis der Architektur ist doch grauenhaft.
- Indes es gilt auch für Ortner & Ortner noch fremde Ufer zu erobern. Im heurigen September waren Sie auf der 1. Architektur-Biennale zum Thema „Community Center. Urban Developement“. in Peking eingeladen? Sind Sie mit einem fetten Auftrag zurückgekehrt?
- Ich fürchte mich eher davor, daß Angebote unterwegs sind. Denn die Grösse und Attraktivität der Aufträge steht in keinem Verhältnis zu den minimalen Architektenhonoraren, die es eigentlich unmöglich machen, nach westlichen Maßstäben die dafür nötige Leistung zu erbringen. Einige der spektakulären Star-Projekte, die durch alle Journale wanderten, sind mittlerweile wegen Geldmangel auf Eis gelegt oder storniert.
- In China gäbe es für Ortner & Ortner zwar nicht die Welt, aber immerhin bedeutende Stadträume zu erneuern?
- In diesen Ländern besteht derzeit die Gefahr, dass alles viel zu schnell, mit viel zu großem Druck gebaut wird, was teilweise auch für die osteuropäischen Länder gilt. Dazu verwirklichen sich in China egozentrisch ein paar sogenannte Stars, ohne die gesamte Entwicklung behutsam und sinnvoll zu unterstützen. Man kauft dort derzeit reichlich viel Junk aus dem Westen ein. Die Lösung sähe ich in architektonischen Provisorien, die innerhalb von 2 oder 3 Etappen mit der Zeit in die entgültige Form übergeführt werden, wenn sich dieser gesellschaftliche und urbane Prozess konsolidiert hat. Diese Art zu Planen und zu Bauen würde dann auch tatsächlich die idellen und technologischen Neuerungen hervorbringen, die uns die in Venedig gezeigten Beispiele mit ihren akademischen Scheinthemen vorgaukeln.
erschienen in Kunstzeitung Nr.98/ Okt.04, S.38
La Biennale di Venezia -